«Bei der Pflege von chronisch kranken Menschen leistet die Spitex einen immensen Beitrag»
Vivi Seljmani heisst die neue Leiterin der Fachstelle Spitex-Entwicklung des Spitex Verbands SG|AR|AI. Weshalb die Spitex bei der Pflege von chronisch Kranken prädestiniert ist und welchen Mehrwert Advanced Practice Nurses (APN) in Spitex-Organisationen erbringen können, dies erläutert die 33-jährige Pflegefachfrau mit einem Masterabschluss in Pflegewissenschaften der OST im Interview.
Herzlichen willkommen, Vivi! Du übernimmst ab Januar 2024 die Leitung der Fachstelle Spitex-Entwicklung und damit die Nachfolge von Ruth Weber. Was hat dich an dieser Stelle besonders interessiert und wo möchtest du deine Schwerpunkte setzen?
Vielen lieben Dank! Ich freue mich sehr darüber. Toll ist ebenfalls, wieder in der Ostschweiz zu sein. Was mich an dieser Stelle sofort gepackt hat, waren die vielfältigen Tätigkeitsbereiche. Ich kann mich in diversen Bereichen einbringen und habe die Möglichkeit, auf unterschiedlichen Ebenen mitgestalten zu können - sei es in Qualitätsförderungsprojekten, in beratender Funktion, als Lösungsentwicklerin oder in der Vernetzung des Fachbereichs. Dadurch bietet sich mir die Chance, mich selbst und die Fachstelle Spitex gleichermassen weiterzuentwickeln.
Neben der Fachentwicklung und Qualitätsförderung werde ich einen Schwerpunkt auf Innovationsprojekte und zukünftige Trendentwicklungen setzen. Ich finde es wichtig, dass veraltete Strukturen hinterfragt und, wo nötig, auch aufgebrochen werden. Das heisst auch, dass man neue Wege geht und Veränderungen gegenüber offen ist. Gerade im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit sehe ich Potenzial, Neuerungen einzuführen.
Während deines Masterstudiums hast du dich auf die Pflege von Menschen mit chronischen Krankheiten spezialisiert. Welche spezifischen Herausforderungen bringen diese Krankheiten mit sich und welche Rolle nimmt die Spitex dabei ein?
Chronische Krankheiten bringen eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Nicht zu unterschätzen sind etwa das Medikamentenmanagment im Zusammenhang mit der Symptombewältigung und dem teilweise unklaren Verlauf der Erkrankung und der erhöhte Koordinationsbedarf - und zwar nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für jene Personen, die die Betroffenen pflegen. Chronisch kranke Menschen benötigen eine längerfristige und engmaschige Betreuung. Hier leistet die Spitex meiner Meinung nach einen immensen Beitrag, sie ist geradezu dafür prädestiniert. Auch durch das breite Fachwissen und den Aufbau persönlicher Beziehungen können die Klient: innen so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. So kann die Spitex den Klient: innen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und zu einer erhöhten Lebensqualität beitragen.
Welchen Stellenwert misst du der interprofessionellen Zusammenarbeit bei?
Einen sehr hohen. Die interprofessionelle Zusammenarbeit ist in der heutigen Zeit unerlässlich. Oft stehen an den Schnittstellen zunächst die eigenen Interessen im Vordergrund. Was aber eine gute Zusammenarbeit wirklich ausmacht, ist das gegenseitige Verständnis. Es ist daher wichtig, sich auszutauschen und die Werte, Haltung, Strukturen und die Prozesse des Gegenübers nachzuvollziehen zu können. Nur so ist ein echter Dialog möglich. Im Endeffekt haben wir alle dasselbe Ziel: verschlankte und effiziente Arbeitsprozesse, um mehr Zeit bei den Klient: innen verbringen zu können. Das geht aber nur, wenn wir zusammenarbeiten.
Das Berufsbild der Advanced Practice Nurse ist zukunftsträchtig. Wo siehst du die grössten Chancen und Möglichkeiten angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege und in anderen Professionen des Gesundheitswesens?
Das Berufsbild der APN ist sehr vielseitig. Durch ihr fundiertes Fachwissen kann sie in der Praxis klinische Veränderungen bei den Klient: innen erkennen und frühzeitig notwendige Massnahmen einleiten.
Gleichzeitig kann sie Mitarbeitenden aktuelle Forschungserkenntnisse vermitteln, sei es durch Coachings oder Weiterbildungen, und ihnen im Pflegealltag fachlich zur Seite stehen. Durch den parallelen Überblick über Praxis und Organisation kann die APN Lücken erkennen und organisatorische Massnahmen anstossen, um diese zu beheben. So werden letztendlich Pflegequalität und -sicherheit erhöht, was nicht nur den Klient: innen zu Gute kommt, sondern nebenbei auch die Spitexorganisation entlastet.
Ich sehe im Berufsbild der APN daher eine zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligten des Spitexumfelds, die eine interprofessionelle Zusammenarbeit erleichtert. Wichtig finde ich aber auch zu erwähnen, dass passende Rahmenbedingungen für die Ausübung als APN gegeben sein müssen und für die Beteiligten klar ist, was der Aufgabenbereich umfasst. Sonst ist man schnell «Mädchen für alles», was auf Dauer frustrierend sein kann.
Letzte Frage: Wie erholst du dich in der Freizeit und lädst du deine Batterien wieder auf?
Ich bin gerne draussen in der Natur und liebe es, Zeit mit meiner Familie oder Freunden zu verbringen. Dann kann ich richtig abschalten und auftanken. Auf der anderen Seite mag ich es aber auch, wenn ich neue Dinge ausprobieren kann, mich ausserhalb meiner Komfortzone begebe und mich neuen Herausforderungen stelle, wie zum Beispiel einen Kurs im Improtheater. Und wenn ich mich mal richtig auspowern und den Kopf frei kriegen möchte, dann hilft mir eine ausgedehnte Runde Joggen oder Schwimmen.
Interview: Eva Zwahlen
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