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07.10.2024

«Vielleicht haben wir in Zukunft in jedem Spitex-Team auch Sozialarbeitende an Bord»

Markus Meitz, Geschäftsführer der Spitex Rotbachtal, ist diplomierter Pflegefachmann und Sozialarbeiter. Ob dies für seine Funktion von Vorteil ist, welches in der täglichen Arbeit die Herausforderungen von Interprofessionalität sind und, wie diese zu Chancengleichheit beitragen kann, dazu äussert er sich im Interview.

Text: Eva Zwahlen

Markus, Meitz, Sie sind der neue Geschäftsführer der Spitex Rotbachtal. Als diplomierter Pflegefachmann und studierter Sozialarbeiter sind Sie gewissermassen die «Interprofessionalität» in Person. Wo sehen Sie dabei die Vorteile für Ihre neue Aufgabe bei der Spitex?

Ich sehe es als eine wertvolle Stärke, Herausforderungen im Alltag mit einer «multiperspektiven Betrachtungsweise» zu sehen. Dies können Prozesse der operativen oder strategischen Ebene betreffen. In der Spitex-Arbeit haben der Gesundheits- und Sozialbereich viele Schnittpunkte. So möchten wir unter anderem mit unserer Arbeit Menschen befähigen, ihr Leben so lange wie möglich selbst zu bewältigen. Dabei wollen wir die Autonomie fördern - unter Einbezug der Gesundheitsressourcen und des sozialen Netzes. Auch im Bereich Leadership und Führung kann ich von diesem interprofessionellen Rucksack profitieren. In der Sozialen Arbeit gibt es viele Techniken, die mich in der zwischenmenschlichen Kommunikation im Führungsalltag unterstützen und so lösungsorientiert mitwirken.

 

Welches waren in der Vergangenheit Ihre interprofessionellen Erfahrungen als Sozialarbeiter?

In der Sozialen Arbeit ist es essenziell, den Blick systemisch zu legen. Dabei ist es wichtig zu wissen, wer welche Rolle und Aufgabe hat. Fachpersonen sollten innerhalb der Arbeit mit den Klientinnen und Klienten wenigstens voneinander wissen. Hier sehe ich noch Potenzial, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Ein- und Abgrenzung ist eine Kunst im Praxisalltag! Eine klare Auftragsklärung kann helfen, auf dem Weg zum Ziel zu bleiben. Die Arbeit mit anderen Professionen war für mich mehrheitlich wertvoll und zielführend. Meine Ausbildung als systemischer Berater hat meinen Blick zu diesem Thema geschärft. Wir Fachpersonen aus der Sozialen Arbeit, Pflege oder der Medizin sehen immer nur einen Teilausschnitt aus einem Leben. Damit möchte ich betonen, dass das Gegenüber Expertin und Experte für die eigene Lebenswelt ist und bleibt.

 

Bei Ihrer Arbeit im Kanton Appenzell Ausserrhoden war Ihnen die Chancengleichheit sehr wichtig. Wo kann hier die interprofessionelle Zusammenarbeit einen Beitrag leisten?

Menschen neigen oft dazu, Situationen, Gruppen oder Individuen voreilig zu bewerten. Dies geschieht aufgrund einer Reflexionsfolie aus der eigenen Sozialisation und den gemachten Erfahrungen. Es bleibt eine gesellschaftliche Herausforderung, Situationen wertfrei zu begegnen. Vielleicht bleibt der Wunsch nach Chancengleichheit eine Utopie, da wir alle überall unzählige Unterschiede sehen und werten. Umgekehrt müsste man jeden Unterschied als einzigartige Bereicherung sehen können. Dies wäre vielleicht der Schlüssel zum Erfolg. Letztlich möchten wir mit einer interprofessionellen Zusammenarbeit alle das gleiche Ziel verfolgen. Ziel der Spitex ist es, die Selbständigkeit der Kundinnen und Kunden unter Miteinbezug des sozialen Umfeldes zu erhalten und zu fördern.

 

Wo sehen Sie das Potenzial und die Herausforderungen in der Interprofessionalität?

Eine interprofessionelle Versorgungsqualität geht aus meiner Sicht in die gleiche Richtung wie eine integrierte Versorgung. Die integrierte Versorgung bedeutet eine Vernetzung in der Gesundheitsversorgung. Verschiedene Leistungserbringer und Professionen müssen zusammenarbeiten und das gleiche Ziel verfolgen. Dies ist wirtschaftlich und trägt zur Kostendämpfung bei. Ein Konkurrenzdenken hindert uns, Kooperationspartnerschaften einzugehen und anstehende Aufgaben abzusprechen.

 

Welches ist der Mehrwert für die Patientinnen und Patienten?

Effiziente Arbeitsprozesse sind für alle Beteiligten gewinnbringend. Auch in der Spitex-Arbeit braucht es pragmatische Lösungsansätze. Obwohl ich noch in der Einführungsphase bin, erkenne ich eine hohe Bürokratie hinter einigen Themen. Es wäre mir lieber, wenn wir unsere Ressourcen noch mehr für die Kundinnen und Kunden einsetzen könnten.

 

Wie wichtig ist in Ihren Augen eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheits- und Sozialwesen?

Obwohl es sich hier um zwei getrennte Systeme handelt, müssen sie als ganzheitliche Dienstleistung betrachtet werden. Gesundheit hat immer auch mit sozialen Themen zu tun und umgekehrt. Mit Blick auf das Ganze bleiben beide Themen miteinander verzahnt.

 

Welche neue, andere Perspektive kann die Soziale Arbeit einbringen?

Vielleicht braucht es gar keine neuen Perspektiven. Das Miteinander von Individuen, Gruppen und gesellschaftlichen Systemen bleibt eine zentrale Herausforderung, damit ein Miteinander funktioniert. Im Spitex-Alltag steuern uns Diagnosen und Krankheiten, um die Arbeit zu legitimieren. Die Soziale Arbeit agiert im Spannungsfeld sozialer Probleme und gesellschaftlicher Herausforderungen. Vielleicht haben wir in Zukunft in jedem Spitex-Team auch Sozialarbeitende an Bord.

 

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